Künstler müssen ja nicht wahnsinnig sein oder irre, um einen schwer zu beeindrucken, aber wenn sie ein ganz klein wenig verrückt, oder – wie Omma sagen würde – »bekloppt« sind, dann steh ich drauf. Neulich z.B. ging ein Künstler durchs Netz, der mit Bleistift dermaßen realistisch Fotos nachzeichnete, dass seine Bilder aussahen wie eben große Schwarzweißfotos. Bei solcher Arbeit denke ich zwar: »Nicht übel« und erkennte zungeschnalzend die Schweinearbeit an, aber den Bitumen aus der Kimme haut mir das noch nicht.
Momentan aber zeigt der Neue Kunstverein Wuppertal eine Ausstellung, die mich neulich buchstäblich hat lang auf den Arsch setzen lassen. Ich schaute im Vorbeigehen durch die Fenster der Ausstellungsräume und musste einfach reingehen und diese Bilder mit einer große WTF-Sprechblase über dem Kopf bestaunen. Der Künstler Martin Spengler arbeitet – wenn ich das richtig wiedergebe – folgendermaßen: Er leimt viele Schichten Wellpappe übereinander und schneidet und drückt seine Werke aus der Pappe heraus. Zum Schluss wird noch weiße, leicht lasierende Farbe aufgetragen und die Konturen mit Bleistift oder Edding nachgezogen.
Was dabei herauskommt, ist ein monochromes, überbelichtet wirkendes Relief, das trotz seiner Ein- bzw. Unfarbigkeit so dermaßen lebendig wird, dass man sich davor verlieren muss. Die Ansicht von Athen unten z.B. kommt zwar ohne die Darstellung von Menschen aus, aber je länger man draufschaut, um so mehr hat man das Gefühl, es tut sich was in der Stadt.
Steht man vor den Ausschnitten des Kölner Doms, ist man mindestens ebenso geplättet wie von der ehrfurchtgebietenden Ausstrahlung des Originals. Oder die Achterbahn, die Industrieanlage, das Laub, woah …
Ich könnte ja von jedem seiner Bilder vorschwärmen und weiter in die Tastatur sabbern, aber wenn ihr in der Nähe seid, geht rein und schaut euch das selber an. Wirklich toll. Und ihr werdet bestätigen, dass der Künstler schon ein wenig bekloppt ist. Zitat Michaels Mama: »Unfassbar, watt muss dat fürn Tier sein!« Is gar nicht so’n Tier, aber im Ruhrpott drückt man seine Bewunderung halt etwas drastischer aus. 🙂
Die Ausstellung ist übrigens schick verlängert worden bis zum 15. April 2012. Zu Recht.
Hier die Seite des Neuen Kunstvereins Wuppertal
und hier Martin Spenglers Seite (mit den Adressen und Termine der weiteren Ausstellungen – in Remscheid und in Bonn laufen zur Zeit auch noch welche)
Hier zwei Fotos (die nicht mal ansatzweise das Original an der Wand wiedergeben können):
Ich hätte ihn auch nicht als „Tier“ deklariert (Hab meine Mama trotzdem lieb!), sondern eher als Maschine. Was da neben dem simplen Aufwand für Zeitstunden und eine Konzentration nötig sind, kann und will ich mir gar nicht vorstellen. Denn so schön deine Bildchen da auch sind, wehrter Opa Knut, aber sie geben ein weiteres Kernelement des Unfassbaren nicht wieder: Die Bilder sind mannshoch! Und man erkennt trotz dieser extremen Formate eine unglaubliche Detailverliebtheit also … da fällt einem nichts mehr zu ein.
Wahnsinnig beeindruckend, jedesmal.
Ach ja, und „Erster!“ =P
Stimmt, die Größe der Bilder vergaß ich zu erwähnen. Danke, junger Mann mit lichtem Haupthaar.
Was mir oben an Länge fehlt …
den Rest kannst du dir sicher denken. 😉
… kompensiere ich untenrum durch Technik. Oder so, jedenfalls immer zweimal mehr wie du. 🙂